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Was kostet eine Textbearbeitung?

    Voraussichtliche Lesedauer: 10 Minuten

    In diesem Artikel erfahren Sie, wie viel eine sorgfältige Textbearbeitung durch einen Freelancer nach eigenen Recherchen 2024 durchschnittlich kostet.

    Auf dieser Seite finden Sie:

    • Aktuelle, marktfähige Preise als Stundensatz und Seitenpreise
    • Wie sich die Preise in den letzten ca. 16 Jahren am Markt entwickelt haben
    • Warum Dumpingpreise eine Gefahr für freiberufliche Texter, Lektoren und Übersetzer darstellen
    • Berechnungsgrundlagen für Honorare von Freiberuflern
    • Vieles mehr

    Warum es wichtig ist, über Preise zu sprechen

    Als ich vor über 10 Jahren mit meinem Lektorat angefangen hatte, hatte ich ein kleines Problem: Ich wusste nicht, welche Preise man für die verschiedenen Dienstleistungen verlangen konnte oder wie man einen angemessenen Stundensatz festlegt.

    Zum Glück veröffentlichten einige Lektorinnen und Lektoren damals ihre Seitenpreise und Stundensätze für Korrektorate, Lektorate oder Werbelektorate. Oft wurde dabei auf eine Honorarempfehlung des Verbands der Freien Lektorinnen und Lektoren hingewiesen. Auch heute findet man im Internet Lektorinnen und Lektoren, die sich – 14 Jahre nach der letzten Aktualisierung der Honorare – auf diese berufen.

    Honorarempfehlungen oder lieber Dumpingpreise?

    Der Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren hatte für das Jahr 2002/2003 eine „Honorarempfehlung“ herausgegeben (mit dem Hinweis, dass diese nicht bindend sei) und in späteren Aktualisierungen anhand einer „grob repräsentativen Beispielrechung“ zu zeigen versucht, welche Kosten Selbstständige mit einem Stundensatz x refinanzieren müssen. So wurde probiert, den Mitgliedern wirtschaftliches Handeln näherzubringen und sie für mögliche Folgen von Dumpingpreisen (zum Beispiel diese Altersarmut, von der man andauernd hört) zu sensibilisieren.

    Nachdem der Verband die Honorarempfehlungen zurückgezogen hat bzw. keine Neuauflagen mehr veröffentlicht, ist folgendes auf der Website zu lesen:

    Als Verband können wir keine konkreten Preise nennen, ohne damit den freien Wettbewerb zu berühren. Eine gute Orientierung ist aber der Vergleich mit Vergütungen von Angestellten, die eine ähnliche oder die gleiche Qualifikation besitzen (Freie Lektorinnen und Lektoren haben nahezu ausnahmslos eine abgeschlossene akademische Ausbildung). Oft ist das Erstaunen bei diesem Vergleich groß: „Die verlangen ja weit mehr als das Doppelte von meinem Bruttostundenlohn!!“ Unverschämte Preistreiberei? Mitnichten! Das liegt in der Natur der Sache. Wer freiberuflich arbeitet, kann nur etwa die Hälfte der geleisteten Arbeitszeit tatsächlich fakturieren ((eigene Hervorhebung: Erklärung siehe unten)) und muss darüber hinaus alle betrieblichen Kosten selber tragen. So schlägt am Ende leicht das Dreifache des Bruttostundenlohns ((eigene Hervorhebung: Erklärung siehe unten)) von Angestellten zu Buche. Das sollten Sie bei der Preisverhandlung berücksichtigen.

    www.vfll.de/was-ist-lektorat/honorare-im-lektorat

    Ohne Orientierung durch einen Fachverband stehen aber vor allem Berufsanfänger vor der Frage, wie sie ihre Preise wirtschaftlich sinnvoll kalkulieren sollen. Das endet nicht selten in einem permanenten Unterbieten der anderen Dienstleister und führt in bestimmten Segmenten zu Dumpingpreisen.

    Zitat 1: „Wer freiberuflich arbeitet, kann nur etwa die Hälfte der geleisteten Arbeitszeit tatsächlich fakturieren“

    Das steht in dem obigen Zitat, aber was heißt das eigentlich? 50 Prozent der geleisteten Arbeitszeit werden fakturiert, also den Kunden in Rechnung gestellt – 50 Prozent der Arbeit werden nicht bezahlt.

    Diese unbezahlten 50 Prozent werden aber trotzdem hart gearbeitet: Kundengewinnung, Angebotserstellung, Rechnungsstellung, Weiterbildungen, Marketing, Behebung von Computerproblemen, und anderen organisatorischen Aufgaben. In dieser Zeit sind Freiberufler ihre eigene IT-Abteilung, Marketingabteilung, das Controlling und Sekretariat.

    Wie hoch ist die fakturierbare Arbeitszeit bei Selbstständigen?

    Jedes Jahr gibt es ungefähr 260 Wochentage und durchschnittlich 10 Feiertage, die auf einen Wochentag fallen. Das bedeutet, es gibt maximal 250 Arbeitstage. Maximal, weil von diesen Tagen (wahrscheinlich) noch Krankheitstage – im Bundesdurchschnitt 2023: 20 Tage – und (hoffentlich) Urlaubstage – im Bundesdurchschnitt: 30 Tage – abgezogen werden müssen.

    Von den 250 Arbeitstagen bleiben also nach Abzug von Krankheits- und Urlaubstagen noch ungefähr 200 Tage übrig.

    Fertig?

    Noch nicht ganz.

    Aus Zitat 1 wissen wir, dass durchschnittlich nur 50 Prozent der Arbeitstage in Rechnung gestellt werden können. 50 Prozent von 200 Tagen sind also 100 Tage, die der Selbstständige an Kunden verkaufen kann.

    Auf Stunden heruntergebrochen ergeben sich also 100 Tage x 8 Stunden = 800 Stunden pro Jahr.

    Und das jetzt einfach mit einem Stundensatz multiplizieren, und zack, wir haben unser Jahreseinkommen!

    Aber welchen Stundensatz sollen wir nehmen?

    Zitat 2: „Das Dreifache des Bruttostundenlohns“

    Laut statista.de lag der durchschnittliche Bruttoverdienst von Männern in Deutschland im Jahr 2023 bei 25,30 Euro die Stunde (Stand 27.02.2024). Das Dreifache bedeutet für den durchschnittlichen Soloselbstständigen also ca. 75,90 Euro die Stunde.

    Damit haben wir auch schon einen ersten Anhaltspunkt.

    Übrigens: Für Spezialisten mit überdurchschnittlichem Know-how oder Nischenwissen muss der Stundensatz entsprechend höher sein. Eine Spezialisierung (das eigene Profil schärfen) kann also nicht schaden.

    Die Honorarempfehlungen des VFLL aus dem Jahr 2008

    2008: Ein halbes Pfund Butter kostet 1,10 Euro und das Briefporto für einen normalen Brief liegt bei 55 Cent.

    Good old days.

    In diesem Jahr veröffentlicht der Verband der freien Lektorinnen und Lektoren eine aktualisierte Version der „Honorarempfehlung für freiberufliche Lektoratsarbeit“ aus dem Jahr 2002/2003.

    Für ein Korrektorat werden im Jahr 2008 (ab) 32 Euro/Stunde empfohlen, für ein Lektorat (ab) 42 Euro/Stunde. Für ein Werbelektorat und andere Spezialformen wie die Umbruchkorrektur, die Schlusskorrektur und die Schlussredaktion werden (ab) 53 Euro/Stunde empfohlen.

    Als Mindestpreis für die Normseite in einem Korrektorat werden damals ca. 3,20 Euro genannt, für das Lektorat 5,30 Euro. Da bei der Honorarempfehlung hauptsächlich von Verlagen und Unternehmen als Auftraggeber ausgegangen ist, handelt es sich bei den Preisen natürlich auch um Netto-Preise.

    Und 7 Jahre später, am 24. Juli 2015, erscheint, obwohl sich ja alle an dieser Empfehlung orientiert haben, im Börsenblatt ein Text mit dem Titel „Freie Lektoren unterbezahlt“.

    Die Honorarempfehlungen hochgerechnet für 2024

    Wir spulen vor zum Anfang des Jahres 2024:

    (Günstige) Butter kostet mit 1,69 Euro im Schnitt 54 Prozent mehr als 2008 und auch das Briefporto wurde um 54 Prozent auf aktuell 85 Cent erhöht.

    Nimmt man die Preissteigerung von 54 Prozent jetzt als die tatsächliche durchschnittliche Teuerungsrate in den letzten 16 Jahren an, dann erhalten wir folgende minimalen Stundensätze für 2024:

    • Korrektorat ab 49,28 Euro/Stunde
    • Lektorat ab 64,68 Euro/Stunde
    • Spezialformen ab 81,62 Euro/Stunde

    Für die Normseite bedeutet das:

    • Korrektorat ab 4,93 Euro/Normseite
    • Lektorat ab 8,16 Euro/Normseite
    • Spezialformen ab 16,67 Euro/Normseite

    Meine Hochrechnung deckt sich ziemlich genau mit den Honorarempfehlungen des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler (BfK) aus dem Jahr 2022: Hier werden für die praktischen Tätigkeiten „Lektorat“ 50–75 Euro/Stunde und für „Text- und Bildredaktion“ 75–95 Euro/Stunde.

    So falsch kann die Hochrechnung also nicht sein.

    Die mediafon Selbstständigenberatung GmbH, eine Tochterfirma der Gewerkschaft ver.di, nennt diese Preise sogar schon im Jahr 2008 für den Berufsverband Text und Konzept (ehemals Texterverband) für „Korrekturlesen und Lektorat je Stunde 50–80 Euro (Durchschnitt 70 Euro)“. Folgendes Zitat findet man dort aus dem Jahr 2022: „Der Texterverband empfiehlt einen Stundensatz von 90 Euro – und selbst der beschert im Jahr nach allen Abzügen und realistischer Zeitplanung kein Vermögen.“

    „Kein Vermögen“ klingt aber um einiges besser als „unterbezahlt“.

    Warum gibt es bei Lektoren manchmal „Ab-Preise“?

    Die Ab-Preise gelten für „durchschnittlich“ gute Texte. Fehlt einem Autor die Übung oder wurde der Text noch nicht lektoriert bzw. überarbeitet, dann wird der Lektor für gewöhnlich einen sehr viel höheren Seitenpreis ansetzen müssen. Der Zeitaufwand für die Bearbeitung von Texten wird von diesen 7 Punkten (plus 1 Extrapunkt) beeinflusst:

    1. Anzahl der Normseiten // Umfang

    Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG WORT) hat die Textmenge auf einer Normseite vereinfacht mit 1500 Zeichen inklusive Leerzeichen festgelegt. Eine typische Normseite mit 60 Anschlägen pro Zeile und 30 Zeilen pro Seite hat durchschnittlich eben diese 1500 Zeichen, da bei einer Normseite die Silbentrennung ausgeschaltet ist. Da es auf jeder Seite nicht voll beschriebene Zeilen gibt und der Text durch Absätze gegliedert ist, gibt es keine Normseite, die genau 1800 Zeichen inklusive Leerzeichen hat. Diese Leerzeichen (oder sogar ganze Leerzeilen) zählen aber zum Text dazu, da es sich hier um eine inhaltliche Information handelt (Szenenende, Dialogwechsel, Themenwechsel).

    Die Größe der Normseite ist für den Lektor oder Korrektor ein Richtwert, mit dem er den zeitlichen Arbeitsaufwand und somit die Preise des Lektorats oder des Korrektorats abschätzt.

    2. Fertigstellung der Bearbeitung // Deadline

    Knapp bemessene Deadlines und Fristen (und daraus resultierende Nachtarbeit/Wochenendarbeit/Feiertagsarbeit außerhalb der regulären Öffnungszeiten) haben einen Einfluss auf die Preise im Lektorat. Bei diesen Eilaufträgen (häufig beim Werbelektorat von Unternehmenstexten) entstehen durch den Zeitdruck höhere Kosten.

    3. Schwierigkeitsgrad der Texte // Komplexität

    Texte, die ein komplexes Thema mit komplexem Satzbau und langen Komposita beschreiben, sind schwieriger zu bearbeiten als kürzere Sätze, die ein einfaches Thema mit einfachen Worten beschreiben. Das fällt vor allem bei einem Lektorat oder der Textredaktion ins Gewicht, für die Kosten im Korrektorat ist es eher nebensächlich.

    4. Anzahl der zu korrigierenden Textstellen // Fehlerdichte

    Texte mit einer sehr hohen Fehlerdichte müssen häufiger mit Korrekturanweisungen versehen werden als Texte mit einer geringeren Fehlerdichte. Viele Fehler senken also die Anzahl der Normseiten, die pro Stunde geprüft werden, und die Arbeit dauert insgesamt länger. Das gilt vor allem für die Kostenkalkulation beim Korrekturlesen.

    5. Teillieferungen der Texte // Dokumentenmanagement

    Wenn ein zusammenhängender Text, z. B. ein Sachbuch oder eine Mitarbeiterzeitung, über mehrere Tage hinweg einzeln eintrifft, ist das Datenmanagement schwieriger als bei vollständigen Texten. Das gilt vor allem für die Preise fürs Lektorat, wenn zum Beispiel der „rote Faden“ geprüft werden soll.

    6. Komplexität des Layouts // Dateiformate

    Eine Seite mit nur einer Spalte ist einfacher zu korrigieren als eine Seite mit 4 Spalten. Bei Umbruchkorrekturen müssen für gewöhnlich auch mehrere Überschriften und andere Auszeichnungen überprüft werden. Manchmal muss hierfür auch in einem Dateiformat gearbeitet werden, in dem der Dokumentationsaufwand der Fehler deutlich höher und zeitintensiver als in Word ist. Darum sind die Preise bei den Spezialformen Werbelektorat, Umbruchkorrektur, Schlusskorrektur und Schlussredaktion auch höher als beim einfachen Korrekturlesen.

    7. Weiterführende Aufgaben/Extras

    Dazu zählen zum Beispiel redaktionelle Bearbeitungen, für die weitere Recherchen oder Verifikationen von Inhalten, die nicht zum Allgemeinwissen zählen, notwendig sind. Weiterführende Aufgaben sind zum Beispiel Übersetzungen in Leichte Sprache oder in andere Sprachen oder die Erstellung von Registern. Der Mehraufwand schlägt sich auch in einem höheren Stundensatz nieder.

    Extrapunkt: Bearbeitung von KI-generierten Texten

    Auf den ersten Blick sehen KI-Texte aus wie Text, das stimmt schon. Überschriften, Buchstaben, Absätze. Alles da. Beim näheren Betrachten fallen Lektorinnen und Lektoren aber immer noch (viele) Dinge auf, die verbesserungswürdig sind. Die nachträgliche Bearbeitung von KI-Texten dauert manchmal lange und kommt fast einem Ghostwriting gleich.

    Sie haben es geschafft

    Das ist das Ende dieses langen Beitrags. Aber anscheinend haben Sie in dem Text irgendetwas gefunden, das Sie interessiert hat. Damit auch andere diesen Text in den Weiten des WWW finden können, habe ich eine kleine Bitte: Ich würde mich freuen, wenn Sie auf Ihrer Website einen Link auf meine Seite setzen würden. Falls Sie keine Website haben, wäre es aber genauso nett, wenn Sie den Beitrag einfach mit Ihrem Netzwerk teilen könnten!

    Vielen Dank fürs Lesen und weiterhin viel Erfolg!

    Mathias Stolarz

    PS: Falls Sie Fragen zum Beitrag haben, schreiben Sie mir einfach. Ich melde mich, so schnell es geht.